Mit ihrer gemeinsamen Kreation erforschen Martin Zimmermann und Sidi Larbi Cherkaoui auf humorvolle und einfühlsame Weise die Vergänglichkeit, das Verglühen – und ihre eigene künstlerische Sterblichkeit. Nachdem sie bei ihren letzten Inszenierungen die Bühne anderen überlassen haben, entscheiden sie sich nun dazu, sie als Duo wieder zu betreten. Zusammen machen sie sich einen Spass daraus, den Mythos des «Has Beens» zu zerlegen. In einem Kreislauf, bei dem ständig Neues entsteht, verlieren Verfallsdaten erst die Gültigkeit und dann die Bedeutung.
Mit der Zusammenarbeit der Bühnengrössen treffen zwei Gedankenwelten aufeinander, zwei Handschriften, die beide für sich genial und einzigartig, aber eben auch verschieden sind: Der Schweizer Choreograf und Bühnendesigner Martin Zimmermann prägte die Bewegung des Cirque Contemporain massgebend mit und erfand eine sprachlose visuelle Welt, die für alle zugänglich sein soll. In seinen schrillen Stücken vermischt er zeitgenössischen Zirkus und Tanztheater und lässt tragikomische Körper gegen Systeme, spektakuläre Bühneninstallationen und absurde Objekte kämpfen. Der belgisch-marokkanische Künstler Sidi Larbi Cherkaoui bewegt sich zwischen Institutionen und freier Kunst. Neben seinem Engagement als künstlerischer Leiter des Ballet du Grand Théâtre de Genève choreografiert er für sein eigenes Ensemble Eastman, aber auch für Pop-Stars wie Madonna und Beyoncé. Mit Bewegungssprachen aus verschiedenen Kulturkreisen plädiert Cherkaoui für grenzenlose Entfaltung. Im Zentrum seines Schaffens stehen meist fluide Identitäten, die an Normen scheitern oder sie überwinden.
Die Ideen Zimmermanns und Cherkaouis umschwirren einander nun auf engem Raum, treffen sich mal zum Kuss und stossen mal mit einem Knall zusammen. Es ist eine Liebesbeziehung der besonderen Art, höchst ambivalent und widersprüchlich. Eine Folie à deux mit Gefälle, Kippmomenten und viel Humor. Diese Dynamik herrscht auch zwischen den zwei vielgesichtigen Figuren, die die Künstler spielen. Sie ist die Diva, die Patriarchin, das Showgirl, die Schamanin. Er ist der Butler, der Hauswart, ihr letzter Fan vielleicht, der Tod. Beide von der Zeit gezeichnet, beleben sie eine neue Welt, in der sich Schweizer Dadaismus mit dem belgischen Surrealismus vermengt. Hier sind die Regeln skurril, die Körper sprechen eine ungekannte Sprache und die Emotionen sind von Riesenwuchs. Vorstellen kann man sich das nicht: Man muss es sehen und miterleben.
Sidi Larbi Cherkaoui über Martin Zimmermann:
«Die Zusammenarbeit mit Martin ist eine inspirierende Reise, auf der ich mich als Performer neu entdecke. Seine furchtlose Annäherung ans Tragikomische erzeugt eine ungeschönte Ehrlichkeit, die gut zu unserer gemeinsamen Erforschung von Bewegungen und Emotionen passt. Meine eigene Arbeit fusst im Körperlichen und der Gestik. In Verbindung mit Martins tragikomischen Figuren und seinen lebendigen Bühnenbildern ergibt sich eine dynamische Synergie. Zusammen erschaffen wir einen Ort, an dem sich Humor und Verletzlichkeit treffen, an dem sich Grenzen verschieben und eine authentische Verbindung heranwächst. Es ist mir eine Ehre, unsere Welten miteinander zu vermischen und zu sehen, wie aus unseren beiden Handschriften etwas zutiefst Menschliches entsteht.»
Martin Zimmermann über Sidi Larbi Cherkaoui:
«Ich verfolge Larbis Karriere schon seit Beginn. Wir haben zur selben Zeit und sehr jung damit begonnen, unsere eigenen Produktionen zu erarbeiten. Ich staunte über sein eklektisches Arbeiten zwischen Theater und Tanz, die choreografische Handschrift, die er entwickelte, und über seine Höhenflüge. Larbi begibt sich seit jeher in unkomfortable Zonen, um daraus Kreativität zu schöpfen. In dieser Herangehensweise an die Kunst erkenne ich mich selbst wieder. Wir tragen tief in uns drin viele Gemeinsamkeiten, die ausmachen, dass ich mich bei ihm unglaublich wohl und in meinem Schaffen verstanden fühle. Unsere Handschriften allerdings sind komplett verschieden. Das macht die anstehende Zusammenarbeit umso spannender: Ich freu mich sehr auf diese vielversprechende Reibung und den künstlerischen Austausch.»
Credits
Künstlerische und choreografische Mitarbeit: Romain Guion
Technische Projektleitung: Ingo Groher
Technische Konzeption Bühnenbild: Christiane Voth, Ingo Groher
Bühnenbildbau: Ateliers Théâtre Vidy-Lausanne, Ingo Groher
Motorisation Bühnenbild: Thierry Kaltenrieder
Theatermalerin: Michèle Rebetez-Martin
Produktion: Eastman • MZ Atelier
Co-Produktion : Cultuurhuis de Warande • Kurtheater Baden • Theater Winterthur • Theater Zug (in Bearbeitung)
Endproben im Cultuurhuis de Warande in Turnhout, Belgien
Premiere: 24. September 2026, Cultuurhuis de Warande, Belgien
Martin Zimmermann / MZ Atelier wird von der Stadt Zürich Kultur, der Fachstelle Kultur Kanton Zürich und von Pro Helvetia, der Schweizer Kulturstiftung, unterstützt. Martin Zimmermann ist Associated Artist am maisondelaculture de Bourges / Scène Nationale und Artist in Residence am Le Manège / Scène Nationale de Maubeuge.
Sidi Larbi Cherkaoui und Eastman werden von der Flämischen Regierung unterstützt. Eastman wurde 2013 zum Europäischen Kulturbotschafter ernannt.

